Reisebericht: München

Da im Oktober 2001 der ULF A 15 zur Probe in München weilte, bot sich bei einer Reise die Möglichkeit, Eindrücke zu sammeln.

München ist schon seit Jahrzehnten zwischen den Extremen "Bauen wir die Tram aus" und "Weg mit der Tram - nur mehr als U-Bahn-Zubringer" zerrissen. Je nachdem, von welcher Partei gerade der Oberbürgermeister stammt, passiert entweder das Eine oder das Andere. Derzeit sieht es wieder gut aus für die Straßenbahn.

Die derzeit gute Stimmung bescherte die Wiedererrichtung der Linie 17, die so gut angenommen wurde, dass selbst die Trambefürworter überrascht waren von den 14.000 Fahrgästen pro Tag, die sich mittlerweile eingestellt hatten. Als Vorbild für Wien könnte auch die rigurose Ampelbeeinflussung durch die Bim dienen und, dass Straßenbahnlinien auch längere Strecken in Fußgängerzonen zurück legen. Dafür mangelt es an der Koordination der Haltestellen: Wir staunten nicht schlecht, als wir im Bus an der Straßenbahnhaltestelle zum Umsteigen vorbei fuhren, weil sich die gemeinsame Endstelle mehrere Buslinien 250 Meter entfernt befindet. So etwas ist in Wien glücklicherweise Vergangenheit.

Wer München nicht unter dem Gesichtspunkt bereist, den öffentlichen Verkehr erkunden zu wollen, bemerkt kaum, dass das Netz gegenüber dem Wiener erhebliche Schwächen aufweist.

Als Erstes sei zu erwähnen, dass das Schnellbahnnetz zwar vorbildlich ausgebaut und mit dem U-Bahnnetz koordiniert ist, aber was auf den ersten Blick als Vorteil erscheint, erweist sich in der Praxis als hinderlich - nämlich, dass fast alle Linie die Innenstadt queren. Da die früheren Straßenbahnverbindungen weitgehend aufgegeben wurden, bewirkt dies nämlich, dass man - in Summe nur zwei oder drei Stationen zurück legend - umsteigen muss, wenn man von einem Punkt der Innenstadt zu einem Anderen will. Wenn man dann die U- oder S-Bahnstation verlässt, muss man feststellen, dass man zu Fuß fast genauso schnell gewesen wäre. Der Grund: Diese Verkehrsmittel wurden in erster Linie geplant, um Pendler in die und aus der Stadt zu bringen, sind aber für den innerstädtischen Verkehr nur bedingt geeignet.

Was das restliche Netz betrifft, so sei zitiert, was auf der 125-Jahre-Jubiläumsausstellung aushing, wo beschrieben war, welche Städte als Vorbild für München gelten, und warum Wien dabei ist:

Wien hat im Vergleich ein wesentlich dichteres Straßenbahnnetz mit vielen Tangenzial- und Rundlinien sowie Durchgangslinien zusätzlich zu den Radiallinien, was schnelle Verbindungen in die und in den Außenbezirken schafft.

Eine durchschnittliche Wiener Straßenbahnlinie hat mehr Fahrgastaufkommen als die Dachauer Straße in München, wo fünf Linien verkehren. Der Grund: Dichte Intervalle ziehen Fahrgäste an - mehr Fahrgäste bedingen dichtere Intervalle usw.: In Wien verkehrt derzeit die Linie 6 mit 2,75-Minuten-Intervall in der Hauptverkehrszeit, während in München 10 Minuten üblich sind; ab Abend und an Wochenenden sogar 20 Minuten!

Dazu sei noch zu bemerken, dass man mit allen Münchener Straßenbahnfahrzeugen gerade drei starke Wiener Linien ausstatten könnte bzw. dass in Wien bereits mehr ULFe unterwegs sind, als es in München Wagen gibt! Dies als Antwort an die Frage Unkundiger: "Wieso fahren in München lauter Niederflurwagen, und in Wien muss man sie erst suchen?"

Obwohl in Wien im Prinzip die selben Fehler wie in München gemacht wurden, wurden doch die U-Bahn-Linien weitgehend nach Fahrgastaufkommen geplant: Wien hat zwar nur ein halb so großes U-Bahnnetz, aber mehr Züge, und die sind noch dazu besser ausgelastet.

Als Vorteil sowohl für das Straßenbahn-, als auch für das U-Bahnnetz wurde auch genannt, dass es in Wien im Gegensatz zu München keinen zentralen Knotenpunkt gibt.

Vielleicht sollte also auch Wien von München lernen, und zwar die modernen Ansichten, und nicht die verstaubten, die dem sinnlosen U-Bahnbau - und damit verbunden, dem Straßenbahnsterben - zu Grunde liegen. Denn auch in Wien gibt es erhebliche Lücken im Straßenbahnnetz, und wegen der oben erwähnten - alle Erwartungen übertreffenden - 14.000 Fahrgäste der neuen Linie 17 überlegt man hier zu Lande die Umstellung auf Autobus. Um einige Beispiele zu nennen: Die Linien 11A, 13A, 14A, 26A und 48A weisen mehr Fahrgäste auf, als für die Neubautramlinie 17 in München prognostiziert wurden!