Bevor im Jahre 1907 die bis heute gültigen Bezeichnungen und die damit verbundenen Liniensignale eingeführt wurden, konnte man noch nicht von einer "Linie 8" sprechen. Die 83-jährige Geschichte des 8ers spielt daher in den Jahren 1907 bis 1989. Davor wurden die Endstationen Liechtenwerder Platz und Meidling wie folgt gekennzeichnet:
Liechtenwerder Platz | |
(ÖBB-)Bahnhof Meidling |
Die Strecke Liechtenwerder Platz - Gürtel - Sechshauser Straße bis Stiegergasse - Ullmannstraße - Lobkowitzbrücke - Stadtbahn Meidling Hauptstraße - Meidlinger Hauptstraße - Eichenstraße - Bahnhof Meidling wurde ab 1907 mit der Nummer 8 versehen. Musste anfänglich noch an beiden Endpunkten umgekuppelt werden, so stand dem 8er schon ab 1907 die Schleife Liechtenwerder Platz und ab 1915 die Schleife in Meidling durch die Dörfelstraße zur Verfügung. Abgesehen von diesen Schleifenbauten blieb die Strecke 8 über 60 Jahre unverändert.
Bis 1964 wurden in den Spitzenzeiten Verstärkerzüge
zwischen Meidling ÖBB und Stadtbahn Meidling Hauptstraße
geführt, die logischerweise das Liniensignal 8 trugen.
Erst 1968 kam es zu zwei kleinen Änderungen: Die alte Stadtbahnstation Meidling Hauptstraße musste einem Neubau weichen; es kam daher in diesem Bereich zu einer neuen Anordnung der Gleise. Von Meidling her fuhr der 8er nun über Meidlinger Hauptstraße und Theresienbadgasse zur Stadtbahn. Die zweite Änderung betraf die Lage des Gleiskörpers am Gürtel zwischen Mariahilfer Straße und Sechshauser Straße. Hier wurden die Gleise jedoch lediglich vom äußeren auf den inneren Gürtel verlegt.
Zwei Jahre später, 1970, kam es zu einer weiteren kleinen Streckenverlegung: Zwischen Gürtel und Stiegergasse wurde nicht mehr über die Sechshauser Straße gefahren, sondern über die Ullmannstraße, die somit auf ihrer gesamten Länge von der Straßenbahn befahren wurde. Diese Linienführung blieb bis ins Jahr 1989 unverändert. Dann musste der 8er auf Grund der Umbenennung der Stadtbahn in U6 eingestellt werden, da sich Parallelführungen von Straßenbahnen und U-Bahnen gemäß der Wiener Verkehrspolitik nicht auszuzahlen haben - selbst wenn diese U-Bahnen schon früher existiert, aber bloß anders geheißen haben.
Dieser Meinung war (und ist) die FAHRGAST-Initiative, die sich schon seit 1986 intensiv für die Erhaltung dieser Strecke einsetzte. Leider nutzte auch eine Volksbefragung in dem Gebiet, das von der Einstellung betroffen war, nichts, sodass am 7. Oktober 1989, dem Tag der offiziellen Inbetriebnahme der U6, um ca. 12.00 Uhr der letzte Zug der Linie 8 eingezogen wurde - natürlich mit Liniensignalen aus Papier, da die Blechscheiben schon Tage vor der Einstellung auf rätselhafte (?) Weise verschwunden waren, wie das bei Linieneinstellungen eben so üblich ist.
Nach der Einstellung des 8ers wurden jedoch sehr bald Stimmen laut, die einen entsprechenden Ersatz forderten, denn vor allem im Bereich des 12. Bezirks gab es keine entsprechende Ausweichmöglichkeit auf andere, gleichwertige Linien. Als erste Linie wurde der 37A zwischen Hernalser Gürtel (bei Alser Straße/Ottakringer Straße), Friedensbrücke und Liechtenwerder Platz in Betrieb genommen - eine halbherzige Maßnahme, die schon von vorne herein zum Scheitern verurteilt sein musste. Denn während der ehemalige Gleiskörper am Gürtel brach lag, steckten die Busse Tag für Tag im Stau. Um nicht zugeben zu müssen, dass es sich beim 37A (der übrigens von Blaguss betrieben wurde und heute, nach x-fach veränderter Linienführung, mit Bussen der Wiener Lokalbahnen Busbetriebs-GmbH verkehrt) um eine Ersatzlinie für den 8er handelt, wurde er den Fahrgästen unter dem Titel "Neue Autobuslinien zur U6" verkauft.
Für Meidling dauerte es mit der Ersatzlösung etwas länger. Im April 1990 konnte man in "24 Stunden für Wien" erstmals von einer Linie 9A lesen, die zwischen Westbahnhof und Philadelphiabrücke "in Überlegung" sei. Sie ging im September 1990 in Betrieb. Nach fast einem Jahr hatten die Anrainer rund um die Ullmannstraße wieder einen Nahverkehrsanschluss, wenn auch einen geringerwertigen als früher.
Weder 9A noch 37A konnten Fahrgastzahlen erreichen, die eine Beibehaltung der Linienführung gerechtfertigt hätten. Also wurde mit diesen beiden Buslinien herumexperimentiert. Vor allem die Linie 9A war schon akut einstellungsgefährdet, doch die betroffenen Anrainer nahmen sich gegenüber den Verantwortlichen kein Blatt vor den Mund und erreichten - auch mit Hilfe der Medien - eine Beibehaltung der Linie, die nicht für viele Leute wichtig, für einige jedoch unverzichtbar ist.
Dem 37A wurde im Lauf der Jahre ein völlig anderes Aufgabengebiet zugeteilt: Heute verkehrt er zwischen Engerthstraße/Traisengasse und Dänenstraße und erfüllt somit eine Zubringerfunktion für die Universität für Bodenkultur (BOKU).
Doch die Strecke der Linie 8 ist noch nicht ganz aus dem Wiener Straßenbahnnetz verschwunden. Einige Teile existieren noch, wie die nachfolgende Übersicht zeigt: