Reisebericht: Ruhrgebiet

Eine Reise durch das Ruhrgebiet im Mai 2011 bot natürlich auch die eine oder andere Gelegenheit, ein paar Impressionen des dortigen Verkehrssystems einzufangen. Beginnen wir aber gleich mit einem Exkurs nach Frankfurt, denn dort musste bei der Hinfahrt umgestiegen werden, wodurch ein wenig Zeit blieb, einen kurzen Blick auf den Bahnhofsvorplatz zu werfen.

Dieser Zug der Linie 17 ist ein Flexity Classic, der in Frankfurt als Type S bezeichnet wird (ähnlich wie bei uns werden dort die Triebwagentypen mit Großbuchstaben und wurden die Beiwagentypen mit Kleinbuchstaben bezeichnet).


"33 am 21er zum Stadion! Jetzt!!" Mit dieser SMS wurden einige Wiener Hobbykollegen etwas durcheinandergebracht - tja, wäre doch bloß die Stadt auch dabeigestanden! ;-) Diese Wagentype R ist der Vorgänger der Flexity-Wagen, stammt von DÜWAG. Wikipedia meint dazu: Der R-Wagen war das weltweit erste in Serie produzierte Fahrzeug, das über einen hundertprozentigen Niederfluranteil verfügte. Da das erste Fahrzeug möglichst noch vor der Kommunalwahl 1993 in Frankfurt eintreffen sollte, hatte Düwag nur wenige Monate für Konstruktion und Bau zur Verfügung. Die sonst bei einem neu konstruierten Fahrzeug übliche Erprobung mit Prototypen musste aus Zeitmangel unterbleiben. Um die geforderten 100% an Niederflurfläche zu erreichen, kamen Fahrgestelle in Einzelradbauweise zur Anwendung, von denen jeder Wagenteil jeweils eines in Kastenmitte aufweist. Daher wurden nur drei statt der üblicherweise vier vorhandenen Fahrgestelle verbaut. Dies erwies sich in der Folgezeit als problemanfällig und führte auch dazu, dass nach 40 Fahrzeugen keine weiteren mehr beschafft wurden. Da haben wir in Wien mit dem ULF mehr Glück (oder Geduld) gehabt.


Unter einem K-Dreiwagenzug stellt man sich in Wien etwas anderes vor. In Frankfurt wird mit diesen Oldtimern der sogenannte Ebbelwei-Express betrieben, mehr Info rund um diese Fahrten hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Ebbelwei-Express


Die nächste schienenverkehrsmäßig interessante Station war... na, den Namen der Stadt muss man nicht extra erwähnen, oder?


Schön zu sehen, dass es hier einst auch eine Straßenbahn gab.


Und hier kommt auch schon ein Zug. Zur Erklärung: Oben am Bug ist die Wagennummer angeschrieben, der Liniensignalkasten zeigt die Kursnummer. Die Schwebebahn wird ohne Liniensignal geführt, da es ja nur eine einzige Linie gibt. Im Verkehrsverbund trägt sie die Linienbezeichnung 60. Übrigens dürfte es sich hierbei um das einzige schienengebundene städtische Nahverkehrsmittel (im zivilisierten Raum) ohne Scheinwerfer handeln, von diversem Cableliner-Schnickschnack einmal abgesehen.


So ein Straßenbild ist jedenfalls gewöhnungsbedürftig.


Von den naturgemäß in Hochlage befindlichen Stationen geht es barrierefrei in die Tiefe - Sicherheitsbeauftragte bitte wegschauen.


Wagen 22 trägt die Standardlackierung. Die gesamte Flotte der Schwebebahn stammt aus dem Jahr 1972. Die Fahrzeuge verfügen über einen straßenbahnähnlichen Fahrerstand.


Die Fahrgestelle und Motoren befinden sich oberhalb des Zuges, was nicht nur ungewöhnlich aussieht, sondern auch für ein starkes Schwanken des Wagenkastens sorgt,


worauf auch deutlich hingewiesen wird. In der Tat können die Wagen bis zu 30, 40 Zentimeter hin und her pendeln und kommen auch während des Fahrgastwechsels nicht zur Ruhe.


Eine Schwebebahngarnitur von innen. Alle Wagen sind Einrichtungs-Doppelgelenktriebwagen mit vier Einstiegen auf der rechten Seite.


Nächste Station: Essen, Kulturhauptstadt des Jahres 2010. Aus diesem Anlass wurde die Meterspurlinie 107 zur Kulturlinie aufgewertet, was sich hauptsächlich darin äußert, dass in den Fahrzeugen und an den Haltestellen Hinweise auf Sehenswürdigkeiten entlang der Strecke zu finden sind. Der 107er wird komplett mit Stadtbahnfahrzeugen der Type M8C bedient, deren Türen eine Besonderheit haben: Man kann auf drei Niveaus aussteigen: Hochbahnsteig, normale Gehsteigkante und Straßenniveau. Für das Aussteigen auf Gehsteigniveau senkt sich der Trittkasten elektrisch ab, für das Straßenniveau gibt es eine zusätzliche Schwenkstufe (wie beim E2). Dieses System ist allerdings mitunter etwas störanfällig.

Das im Hintergrund sichtbare würfelförmige Sanaa-Gebäude auf dem Gelände der Zeche Zollverein hat übrigens einen Architekturpreis gewonnen.


Etliche der M8C haben noch Brosebänder. Bei den auf LED umgerüsteten Fahrzeugen hat man allerdings im Gegensatz zu gewissen anderen Städten nicht darauf verzichtet, auch elektronische Innenanzeigen einzubauen. Mehr Bilder aus Essen gibt's leider nicht, die mäßigen deutschen Intervalle (Mo-Fr alle 20, Sa/So alle 30, jewils halbiert durch Kurse, die allerdings nur eine Teilstrecke befahren) waren ein eindeutiges Argument, nicht stundenlang sinnlos in der Gegend herumzustehen zu wollen...


Nächster Halt: Bochum, hier ein DÜWAG-NF6D auf der Linie 302. Als Besonderheit öffnen sich die Türen der BOGESTRA-Fahrzeuge (BOGESTRA = Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahn) berührungslos über Bewegungsmelder, was allerdings lästig sein kann, wenn sich eine Haltestelle direkt ohne Insel direkt auf der Fahrbahn befindet, da natürlich auch Fahrzeuge den Bewegungsmelder auslösen.


Plötzlich kam dieser vierachsige Großraumwagen entgegen. Das Staunen war nicht schlecht, als im Innenraum nur allzu bekannte Gesichter zu sehen waren, es handelte sich um eine Gruppe Museumsfahrer des VEF. Dieses Fahrzeug ist übrigens ein eigens gebauter Schulwagen (ähnlich unserem GS1), daher hat er auf jeder Seite auch nur einen einfachen Einstieg.


Die neuesten Fahrzeuge der BOGESTRA sind Variobahnen, hier auf der Linie 301.

Liebend gern hätten wir hier auch Bilder der zahlreichen Ustrab-Stationen gezeigt, leider war jedoch auf dieser Reise nur die Kompaktkamera mit, die für solche Bilder aufgrund ihres Alters nicht geeignet ist. Die diversen Straßenbahn-Tunnelstationen sind alle in einem unbeschreiblich grindigen 70er-/80er-Jahre-Stil erbaut, gegen den die Wiener Ustrab ein Prachtbau ist. Etliche Stationen sind als Premetro ausgelegt, das bedeutet, dass Aufzüge und Rolltreppen etwa einen Meter zu hoch enden und der restliche Niveauunterschied bis zum eigentlichen Bahnsteig über Rampen zurückgelegt werden muss. Linien, die nur an Hochbahnsteigen halten, werden als U-Bahn bezeichnet, in kombinierten U-Bahn-/Straßenbahn-Tunnelstationen gibt es daher wegen der unterschiedlichen Bahnsteighöhen ein reichliches Wirrwarr an Stufen, Rampen und Geländern.

Die Fahrgastinformation im gesamten Raum ist vorbildlich. Es gibt (außer an unwichtigeren Haltestellen an der Oberfläche) überall Anzeigetafeln und an sämtlichen Zugängen zu den Tunnelstationen Vorweganzeiger; man kann sich also kaum verirren, auch die Umsteigewege sind einwandfrei ausgeschildert, sodass man sich dort sofort bewegen kann, als hätte man immer schon im Ruhrgebiet gelebt.