Schnell durch Wien seit 100 Jahren – die Stadtbahn

Anlässlich des Jubiläums 100 Jahre Stadtbahn gibt Ihnen das Straßenbahnjournal mit dieser Seite die Möglichkeit, die abwechslungsreiche 100-jährige Geschichte der Stadtbahn nachzuvollziehen.

Zwar hätte man einige Dinge besser machen können, doch auch so, wie sie ist, ist die Stadtbahn zu einem unersetzbaren Verkehrsmittel geworden (was sich vor allem dann bemerkbar macht, wenn die U6 eine Betriebsstörung hat und es keinen Schienenersatzverkehr gibt).

Heute ist die Stadtbahn in drei Fragmente geteilt (U4, U6, S45), die nicht mehr übergehend befahrbar sind.

Für alle, die sich weiter in die Materie Stadtbahn vertiefen wollen, als es dieser Überblick gestattet, sei gesagt, dass es zu diesem Thema einige recht interessante Bücher gibt, die die Geschichte der Stadtbahn lückenlos dokumentieren.

Die Eisenbahn-Ära

Alles begann vor 125 Jahren, als in Wien erste, hauptsächlich militärtechnische Überlegungen auftauchten, die nicht gerade nahe beieinander liegenden Kopfbahnhöfe miteinander zu verbinden.

25 Jahre später, 1898, wurde die erste Teilstrecke der Stadtbahn durch die K. K. Staatsbahnen in Betrieb genommen: die Vorortelinie von Heiligenstadt durch die Außenbezirke nach Penzing. Im selben Jahr wurde die Strecke Heiligenstadt - Meidling, Hauptstraße - Hütteldorf eröffnet. Ein Jahr später konnte man von Meidling aus bis zum Hauptzollamt (heute Landstraße/Wien Mitte) fahren, und 1901 wurden die letzten Teilstücke dem Betrieb übergeben. Es waren dies die Strecken Hauptzollamt - Heiligenstadt und Nußdorfer Straße - Brigittabrücke (heute Friedensbrücke). Letztere wird im Allgemeinen als "Verbindungsbogen" bezeichnet. Die einstmals geplante "Donaustadtlinie" gelangte nicht zur Ausführung.

Der Betrieb auf diesen Strecken wurde eisenbahnmäßig geführt, im Personenverkehr waren die Züge jedoch eher unbeliebt, denn die Intervalle waren lang, der Ruß machte den Passagieren zu schaffen und der Fahrpreis war höher als der der Straßenbahn, die teilweise parallel fuhr (Linie 8).

Die Übernahme durch die Stadt Wien

Als der erste Weltkrieg ausbrach, kam es auf der Stadtbahn zu häufigen Einschränkungen, zeitweise wurde der Betrieb zur Gänze eingestellt. Im Jahr 1918 war es mit dem Stadtbahnbetrieb vorerst einmal vorbei. Als sich die Lage etwas besserte, nahmen die Österreichische Bundesbahnen 1923 den Betrieb auf der Teilstrecke Michelbeuern - Hütteldorf wieder auf. Doch auch damit war es nach etwas mehr als einem Jahr wieder vorbei.

Der gesamten Stadtbahn drohte das Schicksal eines Dornröschenschlafs, doch in dieser Zeit meldete die Stadt Wien ihr Interesse an den Stadtbahnanlagen an, wovon jedoch die Vorortelinie ausgespart blieb. Diese erlitt das oben erwähnte Schicksal als einzige Strecke.

Der Pachtvertrag zwischen der Bundesbahn und der Gemeinde Wien überließ der Stadt die Gürtel-, Wiental- und Donaukanalstrecke für 30 Jahre, mit der Verpflichtung, einen elektrischen Betrieb zu führen. Die "30 Jahre" verängstigten Wien jedoch ein bisschen, sodass keine schnellen Fahrzeuge angeschafft wurden, sondern solche, die man nach 30 Jahren bei Bedarf auch noch auf der Straßenbahn weiter verwenden hätte können.

Der elektrische Betrieb beginnt

1925 wurde der elektrische Betrieb feierlich aufgenommen. Die Züge führten keine Brustwandtafeln, die das Fahrziel anzeigten, sondern Liniensignale, die dem Verlauf der Strecke entsprachen. Alle Kombinationen bestanden aus drei Buchstaben:

Im Betrieb verwendete man die Bezeichnungen W, G, GW, WD, GD und DG. Diese wurden mittels Blechtafeln an den Seitenwänden und mittels schwarzer rechteckiger Scheiben mit ausgestanzten Buchstaben auf den Dachlaternen an den Zug-Enden signalisiert. Es gab auch eine Art Mischbetrieb: Als 18G wurden jene Züge bezeichnet, die die Gürtelstrecke bei der Gumpendorfer Straße verließen und auf der Straßenbahn bis zum Südbahnhof weiter fuhren.

Doch auch im elektrischen Betrieb war das Fahrgastaufkommen nicht gerade überwältigend, was vor allem daran lag, dass die Stadtbahn immer noch teurer war als die Straßenbahn, doch man merkte diesen Fehler noch im Jahr der Eröffnung und führte noch 1925 einen einheitlichen Tarif ein, was prompt zu einer wesentlichen Zunahme der Fahrgastzahlen führte.

Die Fahrzeuge der elektrischen Stadtbahn

Die Fahrzeuge des elektrischen Betriebs wurden als Type N bezeichnet (180 Stück). Diese schweren Triebwagen hatten entsprechende Beiwagen der Type n (150 Stück), die auf Grund desselben Fahrgestells ebenfalls recht schwer waren. Daher wurden die weiteren 120 Beiwagen in leichterer Bauweise gefertigt und als n1 bezeichnet.

Man hatte jedoch sehr großzügig eingekauft, und daher kamen einige der Stadtbahnwagen auch im Straßenbahnnetz außerhalb der Linie 18G zum Einsatz, wobei die Linien 57 und 60, bei der Verwendung von Stadtbahnbeiwagen hinter "normalen" Triebwagen vor allem die Linien des Bahnhofs Floridsdorf als Beispiele zu nennen sind.

Die Zweiachser der Type N wichen in einigen Aspekten von den bisher beschafften Straßenbahnen ab: So hatten sie z. B. keine elektrische Bremse, die mit dem Fahrschalter zu steuern wäre, sondern ein pneumatisches Bremssystem. Die Befehle des Fahrers im ersten Triebwagen wurden mit elektropneumatischen Schützen übertragen - die sogenannte Vielfachsteuerung war notwendig, da die Züge aus bis zu neun Wagen bestanden, von denen bis zu drei Triebwagen waren. (Selten fuhren in einem Zug auch vier Triebwagen, was jedoch eigentlich nicht erlaubt war.)

Im und nach dem zweiten Weltkrieg

Die Bremsanlage war daran schuld, dass die ursprünglich rot-weiß lackierten Stadtbahnwagen ab 1929 nach und nach zur Gänze rot lackiert wurden, da der weiße Anstrich durch den Bremsabrieb zu schnell verschmutzte. Auf der Vorortelinie war der Personenverkehr von den BBÖ noch bis 1932 aufrecht erhalten worden. Danach wurde sie zur Ausweichstrecke degradiert.

Im Zweiten Weltkrieg wurden die eher exponiert situierten Stadtbahnteile in großem Ausmaß durch Bomben zerstört; die Vorortelinie blieb wegen ihrer Randlage im Großen und Ganzen verschont. Trotzdem wurde der Betrieb mehr oder weniger aufrecht erhalten. In den nicht benutzbaren Stationen fuhren die Züge ohne Halt durch. Es waren jedoch nur sehr wenige Fahrzeuge als Totalverlust abzuschreiben. Beim Wiederaufbau nach Kriegsende gab es große Unterstützung seitens der US-Armee.

Da der Wagenpark der elektrischen Stadtbahn jedoch in allgemein schlechtem Zustand war, entschloss man sich 1954 zum Ausscheiden der Typen N, n und n1. Aus finanziellen Gründen entschied man sich für einen Neubau von Zweiachsern unter weitgehender Verwendung von Teilen der Vorgänger. So entstand die wenig formschöne Type N1 mit den dazupassenden Beiwagen n2.

Die "neuen" Stadtbahnwagen

Die technischen Einrichtungen blieben im Allgemeinen gleich, ein großer Vorteil der Type N1 waren die pneumatischen Falttüren, die das Auf- und Abspringen wirksam verhindern konnten. In der Besatzungszeit sollen vor allem wagemutige (?) russische Soldaten unter den Todesopfern der Unfälle gewesen sein, die es beinahe jede Woche gab.

Der Umbau der Type N zog sich hin bis 1961. In diesem Jahr verkehrte der letzte Altwagenzug. Eine weitere Umstellung gab es in personeller Hinsicht. Der Zugbegleiter, der bisher neben dem Fahrer stand und diesen überwachte (es gab hierbei einige schwere Unfälle, weil Fahrer und Beifahrer ins Gespräch vertieft waren, anstatt auf die Strecke zu achten), wurde auf den zweiten Triebwagen "verbannt". Von dort aus fertigte er ab diesem Zeitpunkt in den Stationen den Zug ab und gab den Türschließbefehl an den Fahrer weiter.

Die Bahnsteigabfertiger (wegen der an Säulen angebrachten Mikrofone auch "Säulenflüsterer" genannt) konnten nun fast zur Gänze eingespart werden, lediglich an wichtigen Stationen wurden sie noch benötigt. Auch heute noch gibt es bei außergewöhnlich starkem Verkehrsaufkommen (bei Veranstaltungen) sowie bei plötzlichem Ausfall von Abfertigungsmonitoren in gekrümmten Stationen Hilfsabfertiger bei der U-Bahn.

Die U-Bahn kommt, die Stadtbahn muss gehen

Ende der 1960er-Jahre beschloss die Stadt Wien die Umstellung der Stadtbahn auf U-Bahn-Betrieb. Ab 1972 gab es einen U-Bahn-Probebetrieb zwischen Heiligenstadt und Friedensbrücke. Vorerst wurden keine Fahrgäste mitgenommen, ab 1976 fuhr man mit Fahrgästen; gleichzeitig wurde die Stadtbahn im Abschnitt Heiligenstadt - Friedensbrücke nicht mehr betrieben. Bei der Umstellung der Strecke Heiligenstadt - Hütteldorf auf U4-Betrieb wurde jeweils die Stadtbahn um so viel gekürzt, wie weit die U-Bahn-Umstellung fortgeschritten war:

Die Gürtellinie wurde somit gehörig beschnitten, denn es war kein durchgehender Verkehr vom Gürtel nach Hütteldorf mehr möglich, und auch der Verbindungsbogen war nun keiner mehr, da er keine Verbindung zur Donaukanallinie mehr darstellte, sondern lediglich zur Friedensbrücke führte. Damals verkehrten nur mehr die Linien G (Meidling Hauptstraße - Heiligenstadt) und GD (Meidling Hauptstraße - Friedensbrücke).

Das letzte Stück Stadtbahn verschwindet in der U6

Manchem erscheint es unverständlich, dass die Gürtelstadtbahn nicht ebenfalls auf (richtige) U-Bahn umgestellt wurde. Gegen einen Einsatz von Silberpfeilen auf der Gürtelstrecke sprach allerdings nicht, wie oft kolportiert, eine angeblich zu geringe Tragfähigkeit der Stadtbahnbögen, sondern schlicht die Tatsache, dass eine starke Anhebung der Bahnsteige erforderlich gewesen wäre. Das hätte zu Adaptierungsarbeiten an sämtlichen Hochstationen geführt, die mit dem Denkmalschutz nicht vereinbar gewesen wären. Gegenüber den heute auf der U6 verwendeten Fahrzeugen hätten Silberpfeile übrigens keinen nennenswerten Fahrzeitgewinn gebracht (maximal 2 Minuten auf die Gesamtstrecke gerechnet).

Ab 1980 kamen also Straßenbahngelenktrieb- und -gelenkbeiwagen mit oben genannten Typenbezeichnungen zum Einsatz. Sie stehen bis heute im Einsatz, es gibt 48 (Tw) bzw. 46 (Bw) Exemplare der beiden Typen.

1983 wurde die Stadtbahn, die zu diesem Zeitpunkt nur mehr zwischen Meidling Hauptstraße und Heiligenstadt bzw. Friedensbrücke verkehrte, zwischen Meidling Hauptstraße und Gumpendorfer Straße eingestellt. Diese Maßnahme erforderten die Bauarbeiten an der Stadtbahnverlängerung als U6. Seit 7. Oktober 1989, dem Eröffnungstag der U6, ist der Name Stadtbahn endgültig historisch, obwohl er im Sprachgebrauch natürlich weiter lebt.

Die Vorortelinie erlebt ein überraschendes Comeback, der 8er verschwindet

Mit der Eröffnung der U6 ging auch die Ära der Linie 8 zu Ende. Der 8er verkehrte größtenteils parallel zur Stadtbahn und war kaum unterfrequentiert. Anlässlich der Umbenennung in U6 kam aber das Aus, weil sich eine Parallelführung von U-Bahn und Bim nicht auszahle bzw. weil die Parallelführung von Straßenbahn und U-Bahn in den Finanzierungsverträgen zwischen Gemeinde Wien und Bund dezidiert ausgeschlossen ist. Heftige Proteste der Bevölkerung führten zur Instradierung von Ersatzlinien wie 9A oder 37A, die jedoch keinen großen Zuspruch fanden und über Jahre hinweg laufend gekürzt bzw. in ihrer Linienführung verändert wurden.

Die Vorortelinie, die in den 1960er-Jahren aus Spargründen nicht ins Schnellbahnnetz mit einbezogen worden war, hatte bei der Modernisierung gewissermaßen Glück im Unglück: Auf Grund von Erhaltungsmängeln war die Strecke lange Zeit nur mit 25 km/h befahrbar, 1978 gab es aus Sicherheitsgründen sogar ein Fahrverbot für Personenzüge! Ein Jahr später fiel allerdings relativ plötzlich die Entscheidung, die Vorortelinie zur Schnellbahn auszubauen. Seit 1987 steht den Fahrgästen die S45 im 15-Minuten-Takt zur Verfügung. Zum Einsatz gelangten fast zwei Jahrzehnte lang ausschließlich die Nahverkehrstriebwagenzüge der Reihe 4020 (Einfachgarnituren), heute sind Talent-Triebwagen (Reihe 4024 bzw. 4124) im Einsatz.