Fahrgastinformation (zu) leicht gemacht

Unter diesem Motto scheinen einige Abteilungen bei den Wiener Linien seit längerer Zeit vorzugehen. Sie erinnern sich vielleicht: Anlässlich des Papstbesuchs 2007 wurden deutsche Texte einfach in ein Online-Übersetzungsprogramm eingegeben. Das Ergebnis dieser fragwürdigen Aktion geriet ohne weitere Kontrolle an die Öffentlichkeit. Und auch beim letzten U6-Schienenersatzverkehr Ende August hieß es wieder in zweifelhafter Formulierung: "Forming the substitute busses in the immediate area of the U6-stations."

Kaputte Brosebänder, Blechtafeln in den Windschutzscheiben der Brosezüge, ja, sogar Zifferntafeln hinter ULF-Frontscheiben als Ersatz für Unsinn anzeigende elektronische Displays - daran hat sich der Wiener gewöhnt. Auch das Abweichen von Haltestellen-Infodisplay und Anzeige am Zug ist mittlerweile nichts Neues mehr - hier stellt sich eben die Frage, welcher Informationsquelle man weniger vertraut. Auch die Tatsache, dass etliche Fahrer aus purer Faulheit mit nach hinten geklapptem Zielschild unterwegs sind, gehört mittlerweile schon zum Usus.

Seit einigen Jahren hat sich eine weitere Unsitte eingebürgert: Einige Zeit vor der Einstellung von Linien wird in einer konzertierten Aktion der Direktion fast das komplette Besteck der Linie aus dem Bahnhof abgeholt. Übrig bleiben, wenn es gut geht, einige Signalscheiben. Die restliche Innenbesteckung besteht fortan aus kopiertem Zettelwerk - wenn Bastler am Werk sind, werden die Zettel noch auf grob zugeschnittenen Karton geklebt, der in die Innenbesteckhalterungen passt. Ansonsten werden sie mit Tixo an die Scheiben geklebt.

Man muss sich ernsthaft die Frage stellen, welche Personen oder Gruppierungen innerhalb der Wiener Linien sich mit derartigen Aktionen zu profilieren versuchen. Zwei Dinge scheiden nämlich definitiv als Grund für diese Vorgangsweise aus: (1) Diebstahl durch fremde Personen und (2) Diebstahl in den eigenen Reihen. Denn würde auch nur einer dieser beiden Gründe zutreffen, müsste auch bei der Linie J, die wie N und 65 am 25. Oktober 2008 eingestellt werden wird, ein massiver Schwund an Routentafeln, Kurzstreckentafeln und Signalscheiben eingesetzt haben. Ein solcher ist aber nicht zu bemerken, weshalb man sich fragen muss, ob für den J-Wagen andere Gesetze gelten als für N-Wagen und 65er.

Bitte vergleichen Sie nun die folgenden Bilder, die beide bei der Ustrab-Rampe Knöllgasse aufgenommen worden sind:


Beachten Sie, dass das erste Bild den E1 4727 zeigt, der nach seiner Skartierung gerade in die HW überstellt wird, um nach Krakau transportiert zu werden. Das zweite Bild zeigt den Zug 4786+1211, einen Planzug der Linie 65! Bei einem derartigen Anblick muss man sich wirklich fragen, was sich die Verantwortlichen dabei denken, einen derart ungekennzeichneten Zug im Linienbetrieb zu verwenden. Dabei wäre es gerade auf der Linie 65 möglich, die ein bis zwei E1-Garnituren bis zur Einstellung durch E2 oder ausgeborgte ULFe zu ersetzen, wenn man nicht einmal mehr zwei Signalscheiben auftreiben kann, darf oder will.

Außenstehenden, sprich Fahrgästen, ist es völlig unklar, warum plötzlich die Fahrgastinformation auf manchen Linien ein Niveau erreicht, für das man sich mittlerweile sogar im ehemaligen Ostblock genieren würde. Wenn man also aus unnachvollziehbaren Gründen das Besteckmaterial einzieht, dann sollte man für adäquaten Ersatz sorgen - und seien es nur Aufkleber mit den Liniensignalen, die (auf allen vier!) Signalscheibenhalterungen angebracht werden. Das hat man nämlich immerhin vor 20 Jahren auch noch zuwege gebracht.

Nachtrag: Während man sich noch fragt, wo denn das ganze Besteck abgeblieben ist, tauchen so manche Signalscheiben plötzlich wieder auf - wie hier am Freitag, dem 5. September 2008, als einige in der Szene durchaus nicht unbekannte Personen am Bahnhof Brigittenau auftauchten und eine nächtliche Fahrzeugparade veranstalteten. Dabei tauchten etliche 21er- und 81er-Scheiben wieder auf, die den Fahrgästen vor der Einstellung dieser Linien ja vorenthalten worden waren. Um Aufnahmen aus erhöhter Perspektive zu bekommen (und zufälligerweise auch Zaungästen das Bild zu verstellen :-)), wurde kurzerhand ein Kleinbus am Bahnhofsvorkopf geparkt. Vor der Abfahrt des Kleinbusses wurde die Innenbeleuchtung der linken drei E1-Garnituren, die für den Einsatz als Linie E vorbereitet waren, von einer der handelnden Personen abgedreht - in manchen Kreisen werden Fotografen bekanntlich als störend empfunden.

Übrigens: Seit Montag, dem 8. September 2008, verkehrt nun auch der J-Wagen mit "Sparbesteck". Man darf allerdings nicht annehmen, dass in der Nacht davor der Bahnhof Ottakring Ziel ausgedehnter Plünderungen war...