Beiwagenliniensignale

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Vom 27. Dezember 1907, bereits nach der Umstellung auf die heute noch verwendete Liniensignalisierung, stammt eine Zeichnung für eine "Nummern Scheibe für Beiwagen Signallampe" für die Linie 64. Vorgesehen war die Herstellung aus 1 mm Eisenblech. Der darauf angegebene Durchmesser von 212 mm läßt auf eine mögliche Weiterverwendung der von den Triebwagen entfernten alten Signalleuchten der "Hieroglyphensignalisierung" schließen. Die Herstellung und der Einsatz dieser Scheiben ist nicht bekannt.

Nach Ausrüstung der Beiwagen mit der von der Fa. Siemens & Halske A.G. angebotenen und auf den Beiwagen als Decklicht verwendeten "Signallampe mit Doppelreflektor" tauchte im Jahre 1913 neuerlich der Plan einer Beiwagen-Signalisierung auf. Auch von diesen Scheiben, von denen datierte Zeichnungen vorhanden sind und die nun den für die Hängeleuchten notwendigen Durchmesser von 220 mm aufwiesen, ist keine Herstellung und kein Einsatz bekannt. Möglicherweise steht dieser Plan in Zusammenhang mit der Ausrüstung von Beiwagen mit zwei dieser Hängeleuchten, von denen eine als Petroleum-Notleuchte vorgesehen war.

Ein Vierteljahrhundert sollte nun vergehen, bevor wieder ein neuer Anlauf zur Beiwagen-Dachsignalisierung genommen wurde.
Durch die Anwendung des § 28 der Strassenbahn-Bau- und Betriebs-Ordnung (Ausgabe 1938) und der hiezugehörigen Ausführungsbestimmung 100 erfolgte die Ausrüstung der Beiwagen mit Rückstrahlern. Aufgrund der vorgegebenen Anbringung sowie Leuchtfläche hatten die bis dato als Decklicht verwendeten Hängeleleuchen bei den Beiwagen ausgedient; eine Demontage kam zumindest bei den kurzen Beiwagen nicht in Frage, weil die Leuchten gleichzeitig zur Plattformbeleuchtung dienten.
Da erinnerte man sich der früheren Pläne und brachte die Beiwagen-Dachsignalisierung wieder ins Gespräch. Denn mit 27. September 1938 ist eine ausführliche Konstruktionszeichnung für eine "Linien Signalscheibe für Beiwagen Schlusslampe" datiert. Die Zeichnung beinhaltet alle Ausrüstungsdetails (wie später beschrieben) und weist sogar einen Querbalken auf. Allerdings wurde bereits am 6. Oktober handschriftlich vermerkt: Sämtliche Linien Signalscheiben Beiwagen sind ohne Querbalken auszuführen! Im Verlauf des nächsten halben Jahres wurden nach und nach vereinfachte, lediglich auf die Ziffernstellung bezogene Zeichnungen angefertigt.

Im Dienstauftrag vom 9. März 1939 wurde bekanntgegeben, daß ... die roten Scheiben der an dem Dachrande angebrachten Lichter der Straßenbahnbeiwagen nach und nach durch weiße ersetzt werden. ... Schließlich wurde im Dienstauftrag vom 29. März 1939 folgendes vorgeschrieben: Von Samstag, den 1. April l.J., an hat der letzte Beiwagen eines jeden Zuges auf der hinteren Dachlampe das betreffende Liniensignal zu führen.
Zusätzlich wurden weitere Regelungen getroffen: Wo Züge umgekuppelt werden, hat aus Gründen der Arbeitserleichterung bei einfachen Zügen der Beiwagen auf beiden Seiten, bei Dreiwagenzügen der erste Beiwagen ein Liniensignal auf der vorderen Dachlampe und der letzte Beiwagen auf der hinteren Dachlampe zu tragen.
Beim Umkehren auf der Strecke oder beim Abhängen von Beiwagen ist die Signalscheibe erforderlichenfalls umzustecken, beim Betriebsuntauglichwerden des Zuges abzunehmen.
In Endstellen, wo die Beiwagen für zwei verschiedene Linien verwendet werden, sind entweder, wie z.B. für die Linien 58 oder 59 auf dem Neuen Markt, verstellbare Signalscheiben zu benützen oder, wo solche nicht vorgesehen sind, die Signalscheiben umzustecken.
Die Liniensignale der Beiwagen bleiben beim Einziehen oder bei sonstigem Abweichen von der normalen Linie unverändert.
Damals war in diesen Fällen das Streichen des Triebwagen-Signals mittels Sperrbalkens üblich, ein solcher wurde aber, wie bereits erwähnt, an den Beiwagen-Signalscheiben nicht ausgeführt.

Die Signalscheiben aus 1 mm Eisenblech wurden in eine Nut gesteckt, die als unterer Halbkreis am Umfang der Dachlampe ausgeführt war. Die Scheiben hatten einen Durchmesser von 220 mm, zwei seitlich angenietete Blechwinkel, um ein Verdrehen der Scheibe in der Nut zu verhindern, zwei angenietete Federn, die einen strammen Sitz in der Leuchtennut gewährleisteten und einen oben mittig angenieteten Haken; dieser diente gewissermaßen als Griff, um die Scheibe in die Leuchtennut zu stecken.
Für die damals noch am Dach stehend angebrachten Schlußlichter der Beiwagen Type m2 und m3 wurden rechteckige Blechabdeckungen mit mittiger Öffnung für die runde Signalscheibe angefertigt.
Die Beiwagen der Linie 18G, die nur teilweise im Straßenbahnnetz verkehrten, wurden im erstgenanntem Dienstauftrag von der Änderung der Schlußlichtglasscheiben von rot auf weiß ausgenommen; der Auftrag vom 22. Mai 1939 schrieb jedoch die Besteckung jener Beiwagen, die bereits die kleineren Schlußlichter an den Brustwänden erhalten hatten, mit einem Liniensignal (identisch mit der Triebwagen-Signalscheibe) an den bisherigen Schlußlichtem am Dach vor. Ob diese Regelung auch für die auf der Straßenbahnlinie 60 eingesetzten Stadtbahnbeiwagen galt oder ob auch die oben erwähnte Blechmaske verwendet wurde, ist auf Grund der zur Verfügung gestandenen Unterlagen nicht klärbar.
Diese Beiwagen-Signalisierung wurde in zeitgenössischen Zeitungsberichten als eine Verbesserung für zueilende Fahrgäste hinsichtlich der Erkennbarkeit der Linie gelobt. Jedoch hatte diese vom Informationswert für den Fahrgast sinnvolle Einrichtung nur ein kurzes Leben. Bereits fünf Monate später machte ein unsinniger Krieg mit seinen Verdunkelungsvorschriften dieser Verbesserung ein jähes Ende.

Interessant ist auch, daß diese Scheiben noch jahrelang aufgehoben, jedoch nicht mehr eingesetzt wurden. Erst Anfang der 60er Jahre tauchten die Scheiben im Altmateriallager Simmering auf, ehe sie endgültig die Reise Richtung Hochofen antraten, nur wenige sind damals von Sammlern gerettet worden.


Mit freundlicher Genehmigung aus "tramway & modell" 2/1998.