Stadtbahn
Inhaltsverzeichnis
Allgemeines
Stadtbahn
Der Betrieb auf den Strecken der dampfbetriebenen Wiener Stadtbahn wurde wegen Kohlenmangel ab 8. Dezember 1918 eingestellt. Erst ab dem 1. Juni 1922 wurde auf Grund des wieder gestiegenen Reiseverkehrs zur Entlastung der Kopfbahnhöfe der West- und der Franz-Josefs-Bahn ein sogenannter Überleitungsverkehr über die obere Wientalstrecke und die Gürtelstrecke zwischen Hütteldorf-Hacking und Heiligenstadt aufgenommen. Dabei wurden von den in der Regel zwischen Neulengbach und St. Andrä-Wördern verkehrenden Zügen auf der Stadtbahnstrecke nur folgende Haltestellen eingehalten: Unter St. Veit, Hietzing, Meidling - Hauptstraße, Gumpendorfer Straße, Westbahnhof, Währinger Straße und Nußdorfer Straße. Ab dem 1. Juni 1923 hielten die Züge auch in den Stationen Ober-St. Veit und Josefstädter Straße, fuhren aber dafür bei der Nußdorfer Straße durch. Da von den damaligen Österreichischen Bundesbahnen (BBÖ) aus finanziellen Gründen keine Änderungen zu erwarten waren, beschloss der Wiener Gemeinderat der Kommission für Verkehrsanlagen als Eigentümerin der Stadtbahn, ein Angebot zur Übernahme und Elektrifizierung der Wiental-, Donaukanal- und Gürtelstrecke sowie des Verbindungsbogens zu machen. Zu diesem Zweck wurde die Direktion der Wiener Straßenbahn beauftragt, ein entsprechendes Projekt auszuarbeiten.
Dieses unter der Leitung von Dir. Ing. Ludwig Spängler erarbeitete Modell sah die Elektrifizierung besagter Strecken, den Zusammenschluß mit der Wiener Straßenbahn und einen gemeinsamen Wagenpark sowie reinen Straßenbahnbetrieb mit Fahren auf Sicht vor. An Verbindungen mit dem übrigen Straßenbahnnetz wurde eine bei der Gumpendorfer Straße und eine weitere in Hietzing vorgesehen, was direkte Züge von der Stadtbahn über den südlichen Gürtel nach Favoriten und über Hietzing nach Mauer ermöglichen sollte. Zum Einsatz sollten vorhandene, wegen des geringeren Verkehrsaufkommens seit 1918 überzählige Straßenbahnwagen kommen. In erster Linie wurde dabei an die Triebwagen der Reihe L und die dazupassenden Beiwagen der damaligen Reihen m und m1 gedacht. Zum Umkehren dieser Züge wurden in Hütteldorf und Heiligenstadt Gleisschleifen vorgesehen, wobei die nicht mehr benötigten Gleisverbindungen zur Bundesbahn abzutrennen waren.
Dieses Angebot wurde am 23. August 1923 der Kommission für Verkehrsanlagen übermittelt. Da diese Kommission aber auf Grund politischer Entwicklungen beschlussunfähig war, wurden per Bundesgesetz die BBÖ zur Vehandlungsführung mit der Gemeinde Wien ermächtigt. Allgemein erregte der Umstand, eine Vollbahnstrecke zu einer Straßenbahn zu degradieren in der Fachwelt großes Aufsehen und Kritik. Das Projekt der Gemeinde Wien wurde zwar als Verbesserung des derzeitigen Zustandes angesehen, aber dennoch nur als Notlösung, die durch eine zu diesem Zeitpunkt allerdings weder absehbare noch finanzierbare Vollbahnelektrifizierung abgelöst werden sollte. Auch die Gemeinde Wien hat sich dieser Auffassung nicht verschlossen und ihr Projekt als Provisorium bis zu einer besseren Lösung angesehen.
Der ab Herbst 1923 einsetzende Verkehrsaufschwung machte eine Modifizierung des Projekts notwendig, da die Fahrzeugreserven der Wiener Straßenbahn nun wieder im Straßenbahnbetrieb benötigt wurden und es somit erforderlich war, für die zu elektrifizierende Stadtbahn neue Fahrzeuge zu beschaffen. Aus dem Beschluß, für die Stadtbahn doch neue Wagen zu bauen resultiert noch eine weitere Änderung. Um die Fahrgeschwindigkeit auf die mit den projektierten Triebwagen der Type N in bestimmten Streckenabschnitten erreichbare Geschwindigkeit von 40 km/h anzuheben, mußten doch Signale und ein automatischer Streckenblock vorgesehen werden, da bei Fahren auf Sicht damals nämlich nur 30 km/h zulässig gewesen wären. Im März 1924 wurde jedenfalls ein Vertrag unterzeichnet, der den maximal 30jährigen Kleinbahnbetrieb durch die Gemeinde Wien – Städtische Straßenbahnen vorsah. Darin enthalten war auch eine Klausel, die eine vorzeitige Auflösung des Vertrages durch die BBÖ nach zehnjähriger Laufzeit aufwies, falls die BBÖ diese Strecken als Vollbahn hätten elektrifizieren wollen.
Da aber Dir. Spängler weiterhin auf einer Verwendbarkeit der Stadtbahnwagen auf der Straßenbahn bestand und allenfalls überzählige Stadtbahnwagen als Reservewagen für die Straßenbahn ansah und auch auf der Straße verwenden wollte, wurden deutlich mehr Wagen bestellt, als für den Stadtbahnbetrieb nötig gewesen wären. Nur aus diesem Grund entstanden für die Stadtbahn eben zweiachsige Straßenbahnwagen damals modernster Bauart, die mit Schützensteuerung und Druckluftbremse ausgerüstet wurden, um auf der Stadtbahn Vielfachsteuerung und längere Zugseinheiten, bestehend aus bis zu drei Trieb- und sechs Beiwagen, mit durchgehender Bremse zu ermöglichen. Ursprünglich erwartete man nur im Ausflugsverkehr an Sonn- und Feiertagen auf der Stadtbahn einen großen Verkehrsbedarf und dachte, die Stadtbahnwagen an Werktagen zu einem guten Teil im Straßenbahnbetrieb verwenden zu können. Die Entwicklung verlief allerdings anders und es ist zu derartigen Einsätzen nicht gekommen. Außerdem stellte sich der Betrieb der auf Grund der Vignolweichen und -kreuzungen mit breiterem und anders ausgeführtem Radreifenprofil ausgestatteten Stadtbahnwagen auf den Straßenbahnstrecken als nicht ganz unproblematisch heraus, was zur Ausrüstung der Straßenbahngarnituren der Linie 118 in der Zeit von 1928 bis 1935 mit Stadtbahnradreifen führte um die Abnützung zu verringern. Diese so ausgerüsteten Züge durften nur auf ihrer Stammlinie bzw. im Störungsfall nur auf bestimmten Ableitungsstrecken fahren, was jedoch nicht verhindern konnte, daß, wie ein erhalten gebliebenes Sitzungsprotokoll wiedergibt, ein derartiger Zug eines Sonntags als Sportplatzverstärker auf der Hohen Warte auftauchte.
Die ersten elektrischen Stadtbahnzüge verkehrten ab 4. Juni 1925 noch ohne Liniensignal zwischen Hütteldorf und Alser Straße. Auch die Verlängerung bis Heiligenstadt nahm am 22. Juli den Betrieb ebenfalls ohne Liniensignal auf. Erst als ab 7. September 1925 die untere Wientallinie bis Haupzollamt in Betrieb genommen wurde, ergab sich die Notwendigkeit einer Liniensignalisierung. Diese erfolgte derart, dass die Anfangsbuchstaben der befahrenen Strecken entweder einzeln oder kombiniert als Liniensignale verwendet wurden.
Am 20. Oktober 1925 wurden mit der Inbetriebnahme der Donaukanallinie zwischen Hauptzollamt und Heiligenstadt die bislang unterschiedlichen Tarife von Stadt- und Straßenbahn auf dem Niveau von 24 Groschen angeglichen. Im Zeitraum von 1929 bis etwa 1934/35 erhielten die Stadtbahnfahrzeuge nach und nach eine vollkommen rote Lackierung, da die durch Bremsstaub verursachte Verschmutzung besonders die bisher in weiß gehaltenen Fensterpartien optisch beeinträchtigte. Dies sollte bis in das Jahr 1983 ein Markenzeichen der elektrischen Stadtbahn sein.
Ab 1944 wurde mit den beginnenden Luftangriffen anlässlich des Zweiten Weltkrieges der Betrieb mehr und mehr beeinträchtigt - das Bombardement vom 12. März 1945 führte hierbei zu den schwersten Zerstörungen. Der Bahnhof Heiligenstadt wurde samt Remise und beider Zufahrtsstrecken stark beschädigt. Bis zur Wiederinbetriebnahme beider Strecken sollte es mehr als neun Jahre dauern, wobei auf einen Wiederaufbau der Wagenhalle verzichtet wurde.
Im selben Jahr, da bis auf die Linie 18G das gesamte Netz der elektrischen Stadtbahn wieder befahren wurde, beschaffte man mit den Reihen N1 und n2 die ersten neuen Fahrzeuge, welche aus innerbetrieblichen und finanziellen Gründen wiederum als Zweiachser ausgeführt waren. Deren im Vergleich zu den Vorgängern der Typen N, n und n1 bedeutendste Innovation waren die automatischen pneumatischen Türen, welche das Ende der durch Auf- oder Abspringen während der Fahrt verursachten Unfälle bedingten.
1964 scheiterten Pläne zu einer Übergabe der Stadtbahn an die ÖBB samt Umstellung auf Schnellbahnbetrieb. Vier Jahre später beschloss der Wiener Gemeinderat die Errichtung einer U-Bahn für die Stadt, die auch die bisherige Linie WD miteinbeziehen sollte. 1969 begann man mit der Adaptierung der Strecke Heiligenstadt-Friedensbrücke als Probestrecke für das neue Verkehrsmittel. In das nunmehrige Auslaufmodell Stadtbahn wurde in den folgenden Jahren nur mehr wenig investiert, Leistungskürzungen und zahlreiche Unfälle führten zu einem zunehmend negativen Bild der Stadtbahn in der Öffentlichkeit. Als schwärzester Tag der Stadtbahn gilt der 14. September 1977, an dem zwischen Meidling Hauptstraße und Margaretengürtel durch einen Auffahrunfall infolge mangelhafter Sicherheitseinrichtungen 44 (teils schwer-)verletzte Fahrgäste zu beklagen waren.
Die Stadtbahn hörte mit dem Umbau der Wiental- und Donaukanalstrecke zwischen 1976 und 1981 zur Linie U4 sowie schließlich der 1989 erfolgten Umbenennung der Gürtelstrecke in Linie U6 zu bestehen auf. Als Vorgriff zur Inbetriebnahme der U6 samt Einstellung der parallelführenden Straßenbahnlinie 8 wurden zuvor noch 1980 und 1987 die Haltestellen Thaliastraße und Michelbeuern – Allgemeines Krankenhaus eröffnet.
Die trotz ihres Notlösungscharakters von den Fahrgästen die meiste Zeit über sehr gut angenommene elektrische Stadtbahn erbrachte im Laufe der Jahre sehr beachtliche Beförderungsleistungen. Ihr System - Oberleitung, örtliche Signale und niedrige Bahnsteige - lebt heute in der Linie U6 weiter.
Streckengeschichte
Streckeneröffnungen für den elektrischen Stadtbahnbetrieb
Datum | Länge | Strecke |
3. Juni 1925 | 5,334 | Hütteldorf — Meidling |
3. Juni 1925 | 5,100 | Meidling — Alser Straße |
22. Juli 1925 | 3,217 | Alser Straße — Heiligenstadt |
7. September 1925 | 5,450 | Meidling — Hauptzollamt (jetzt Landstraße) |
20. Oktober 1925 | 5,304 | Hauptzollamt — Heiligenstadt |
20. Oktober 1925 | 1,195 | Friedensbrücke — Nußdorfer Straße |
Weiterbau der Stadtbahn-Gürtellinie als U6
Datum | Länge | Strecke |
7. Oktober 1989 | 2,202 | Gumpendorfer Straße — Philadelphiabrücke |
15. April 1995 | 5,415 | Philadelphiabrücke — Siebenhirten |
4. Mai 1996 | 4,998 | Nußdorfer Straße — Floridsdorf |
Betriebsbahnhöfe
- Heiligenstadt (1925-1945)
- Hütteldorf (1925-1980, an dessen Stelle wurde 1981/82 eine Abstellhalle für die Linie U4 errichtet)
- Michelbeuern (ab 1927, seit 1989 Betriebsbahnhof der Linie U6)
Stadtbahnlinien
- Linie DG/GD (1925-1978)
- Linie G (1926-1989)
- Linie GD (1978-1989)
- Linie W (1925, 1978-1981)
- Linie WD (1925-1976)
- Linie WG (1925)
- Linie WG/GW (1976-1978)
- Linie 18G (1925-1945)
Stadtbahnfahrzeuge
Personenfahrzeuge
Triebwagen
- Type N (1925-1962)
- Type N1 (1954-1983)
- Type E6 (1979-2010); ab 1989 weiterer Einsatz auf der Linie U6.
Beiwagen
- Type n (1925-1962)
- Type n1 (1926-1962)
- Type n2 (1954-1983)
- Type c6 (1979-2010); ab 1989 weiterer Einsatz auf der Linie U6.
Arbeitsfahrzeuge
siehe Historische Arbeitsfahrzeuge
Signale
siehe Signale (Stadtbahn)